Von 191 Vorständen in börsennotierten Unternehmen sind derzeit nur 14 weiblich (EY Mixed Leadership Barometer Österreich des Beratungsunternehmens EY). In der Wiener Städtischen sind 3 Frauen von insgesamt 7 Vorstandsmitgliedern gelebte Gleichberechtigung! Wie gelingt das bei der Wiener Städtischen, was in anderen Unternehmen schier unmöglich scheint?
Robert Bilek: In der Wiener Städtischen gilt seit Jahrzehnten Chancengleichheit für alle, unabhängig vom Geschlecht oder sonstigen Parametern. Das erreichen wir durch ein vielfältiges Angebot, das es erlaubt Familien und Beruf miteinander zu vereinen. Wir bieten beispielsweise Kinderbetreuung, flexible Teilzeit-Varianten, konkrete Maßnahmen für Väter wie den Papamonat und vieles mehr. Darüber hinaus werden weibliche Karrieren im Unternehmen ganz bewusst gefördert, beispielsweise durch Mentorenprogramme.
Astrid Limberger: Die Wiener Städtische bricht mit traditionellen Rollenbildern und darauf sind wir sehr stolz. Im siebenköpfigen Vorstand der Wiener Städtischen sind drei Frauen vertreten, und mehr als 35 Prozent unserer Führungskräfte sind weiblich. Sie alle dienen als Vorbilder für Frauen, die im Unternehmen Karriere machen möchten.
Gibt es noch einen Unterschied in der Talenteförderung von Frauen und Männern? Welche Rollenbilder bzw. zugeschriebenen Eigenschaften lassen sich bei den jungen Frauen und Männern heute noch beobachten?
Bilek: Nein, das gibt es in der Wiener Städtischen nicht. Wir fördern Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die talentiert sind und Potenzial haben – unabhängig vom Geschlecht.
Limberger: Viele gehen auch heute noch davon aus, dass Männer rascher Entscheidungen treffen, Frauen empathischer sind, Männer Einzelkämpfer und Techniker immer männlich sind… Und das sind nur einige der Stereotype, die wir tagtäglich beobachten. Wir in der Wiener Städtischen arbeiten aktiv dagegen an. Unsere Tochterfirma twinformatics bildet beispielsweise heuer erstmals Lehrlinge im IT-Bereich aus. Unter den acht Lehrlingen befindet sich auch eine junge Dame, die 2015 aus Syrien nach Österreich gekommen ist. Darauf sind wir besonders stolz.
Rund 35 Prozent der mittleren und oberen Managementebene der Wiener Städtischen sind mit Frauen besetzt – wie lang wird es noch dauern, bis auch hier rund 50% gesellschaftlich möglich werden? Welche Maßnahmen werden gesetzt, um das zu erreichen?
Bilek: 35 Prozent der Führungskräfte in der Wiener Städtischen sind weiblich – damit sind wir im Vergleich zu anderen Branchen sehr gut unterwegs. Wir können nicht von der Hand weisen, dass der Anteil weiblicher Führungskräfte sehr langsam steigt. Mit konkreten Maßnahmen wie flexiblen Arbeitszeitmodellen, Führen in Teilzeit, Kinderbetreuungsangeboten oder Angeboten für Väter können Unternehmen auf jeden Fall zu einem Anstieg beitragen – wir leben vor, wie gut das funktionieren kann.
Limberger: Neben aktiven Maßnahmen vom Arbeitgeber braucht es auch ein gesellschaftliches Umdenken, um die 50 Prozent zu erreichen. Man kann beides sein: eine gute Mutter und erfolgreich im Job. Das muss auch in der Gesellschaft ankommen.
Das klassische Rollenbild stirbt langsam aus – kaum eine Familie kann von einem Einkommen leben, Männer haben ihre Liebe zum Herd entdeckt und bringen stolz die Kinder mit dem Fahrrad in den Kindergarten – nur in unseren Köpfen hinken wir ein wenig hinterher. Wie schaffen Sie in der Wiener Städtischen Bewusstsein und Toleranz für Diversität zu schaffen?
Bilek: Vielfalt und Toleranz sind seit vielen Jahren wichtige Themen in der Wiener Städtischen. Wir wissen, dass es unterschiedlichste Lebensentwürfe gibt und der Familienbegriff sich im stetigen Wandel befindet: Vater, Mutter, Kind ist nur eine von vielen möglichen Varianten. Und wir als Arbeitgeber legen großen Wert darauf, all diese Lebensentwürfe zu fördern und zu unterstützen.
Limberger: Wir holen regelmäßig Erfolgsgeschichten vor den Vorhang: Väter, die ihre Papateilzeit oder den Papamonat genutzt haben – noch eine Minderheit – Frauen, die in Top-Führungspositionen arbeiten, oder Frauen, die sehr erfolgreich in vermeintlich männlichen Bereichen tätig sind. Damit wollen wir unsere Kolleginnen und Kollegen dazu motivieren, Stereotype hinter sich zu lassen, ihr Potenzial zu nützen und ihre Ziele zu verfolgen.
In Bezug auf Generationenmanagement! In einem Gespräch hast du einmal gesagt “in jeder Generation sind sie unsere Mitarbeiter” – wie schlägt die Wiener Städtische den Spagat zwischen den Generationen? Wie wird mit Generationenkonflikten umgegangen, oder gibt es diese gar nicht?
Bilek: In jeder Lebensphase haben unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterschiedliche Bedürfnisse. Für junge Familien stellt sich oft die Frage nach der Kinderbetreuung, bei älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geht es um Pflege- und Gesundheitsthemen. Wir sind in jeder Lebensphase darum bemüht, flexible und passende Lösungen zu finden.
Limberger: Die Wiener Städtische begleitet ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Leben lang. Bei unseren regelmäßigen Eltern-Kind-Jausen lernen wir die Babies kennen, beim Familientag und im Betriebskindergarten dann die älteren Kinder und die Jugendlichen machen ein Ferialpraktikum im Unternehmen oder besuchen den Töchtertag. Es kommt nicht selten vor, dass mehrere Generationen einer Familie bei uns arbeiten – das ist einzigartig!
Wie steht es um die Sichtbarkeit von LGBT in der Wr. Städtischen? Ist es ein Thema und wenn ja seit wann? Spricht man auch die Community als Kund*innen an?
Bilek: Im Jahr 2019 haben wir eine eigene Employee Ressource Group für die LGBTI Community in der Wiener Städtischen ins Leben gerufen und eine Ansprechperson für homosexuelle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nominiert. Als langjähriger Sponsor des Meritus Preises und als Pride BIZ Ally setzen wir uns bewusst für Gleichberechtigung und Vielfalt ein.
Limberger: Heuer haben wir bereits zum zweiten Mal in Folge eine der größten Regenbogen-Flaggen am Bürogebäude unserer Landesdirektion Wien angebracht, um dem auch optisch Ausdruck zu verleihen. Diese Aktion kam sehr positiv bei unseren Kundinnen und Kunden sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an.
In Bezug auf Recruiting: In Österreich ist es üblich Foto, Familienstand, Religion im Lebenslauf anzugeben – jetzt belegen Studien die Wirksamkeit von Unconsouis Bias: Ändert sich im Recruiting etwas, damit mehr Chancengleichheit entstehen kann? (wie z.B. bei Blind-Auditions bei Orchestern, die damit sehr schnell den Gender-Gap mehr ausgeglichen haben)
Bilek: Unser Recruiting-Team erhält Unconscious Bias-Schulungen, um solche Fehler zu vermeiden. Die Bewerbungsunterlagen sind aber nur einer von vielen Indikatoren. Wir setzen im Bewerbungsprozess noch andere Instrumente wie Tests und Assessment Center ein, um die bestmögliche Entscheidung zu treffen.
Das Dritte Geschlecht – in Deutschland rüsten Unternehmen bereits ihre Infrastruktur um, was wird in Österreich / Wr. Städtischen dbzgl getan?
Limberger: Das dritte Geschlecht (d) wird bereits in all unseren Stelleninseraten berücksichtigt. Mit der geschlechterneutralen Stellenbezeichnung möchten wir unsere Bewerberinnen und Bewerber unabhängig vom Geschlecht ansprechen.
Wie weit können großen Unternehmen – wie die Wr. Städtische – ein Vorbild für andere Unternehmen sein, klassische Rollenbilder zu durchbrechen?
Bilek: Als eines der größten Versicherungsunternehmen des Landes haben wir natürlich auch eine gesellschaftliche Verantwortung und Vorbildwirkung, der wir uns seit Jahrzehnten stellen. Dabei ist es uns auch sehr wichtig, dazu beizutragen, Stereotype zu überwinden und aufzuzeigen, dass die typische Erwerbsbiografe nicht existiert. Wir zeigen auf, dass es vielfältige Möglichkeiten gibt, bei uns Karriere zu machen – unabhängig von Geschlecht, sozialem Status, Herkunft oder formaler Bildung.
Was machen Sie, um Menschen von sich als Arbeitgeber zu überzeugen?
Bilek: Jedes Unternehmen ist auf der Suche nach den besten Köpfen und kompetenten Persönlichkeiten, die das Team verstärken. Da muss man sich sehr bemühen, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Wir fokussieren aktuell das Thema Employer Brand und haben eine Plattform geschaffen, auf der Interessierte alle Informationen zur Wiener Städtischen als Arbeitgeber finden.
Limberger: Darüber hinaus stellen wir auf dieser Website auch ganz besondere Menschen vor, die in der Wiener Städtischen tätig sind. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ihren Eltern ins Unternehmen gefolgt sind und deren Kinder auch schon bei uns arbeiten; ehemalige Lehrlinge, die heute zu den Top-Verkäufern zählen oder Quereinsteiger, die eher zufällig auf die Wiener Städtische gestoßen sind. Diese unterschiedlichen Geschichten zeigen – jede und jeder findet seinen Platz bei uns und wird auf seinem individuellen Karriere-Weg bestmöglich unterstützt.